Schlosses Ballenstedt

Neuer Glanz in Anhalt

Der 22. September 2018 war für Prinz Eduard ein langersehnter Tag – Schloss Ballenstedt erstrahlte in altem Glanz. Daran hatte der Chef des Hauses Anhalt, bedingt durch die Ereignisse nach der Grenzöffnung, nicht mehr zu glauben gewagt.

Von Dr. Carl Ludwig Fuchs

Ausgerechnet am heißesten Tag in diesem heißen Sommer verlassen wir die Atlantikküste, stauen uns nach Bordeaux, schlängeln auf schmalen Straßen entlang sonnendurchglühter Weinberge. Kurz hinter Saint-Émilion streikt dann auch noch das Navi, orientierungslos kurvt mein Mann entlang perfekt gepflegter Weinterrassen. In langen Reihen, wie Soldaten beim Appell, steht Rebe an Rebe. Noch sind die Trauben grün, klein und hart, es ist Ende Juli, Graf Neipperg lässt wachsen – und hat Zeit für Besucher.

Ein großer Teil der Enfilade seines Geburtsschlosses erstrahlt nun wieder in dem Glanz, den er als Kind noch erleben durfte. Die Geschichte Prinz Eduards und die Geschichte des Schlosses standen unter keinem guten Stern. Seine Eltern, Herzog Joachim Ernst und Ehefrau Edda Charlotte hatten in den 1940er­Jahren das Schloss bezogen, um dem umtriebigen und nationalsozialistisch geprägten Dessau zu entfliehen. Hier lebten sie mit ihren fünf Kindern in trügerischer Ruhe – denn die offene Feindschaft zu dem Nazi­Regime brachte dem Herzog Zwangsarbeit und Haft im KZ Dachau ein.

Als dann 1945 die sowjetischen Truppen näher rückten, bot das englische Königshaus eine Eva­kuierung an, die der Herzog ablehnte – er fühlte sich als Gegner des Hitler-Regimes sicher.

Aber den aus Moskau eingeschleusten KGB-Funktionären war dieser Umstand völlig egal: Der Herzog wurde als Mitglied des Hochadels verhaftet und in das ehemalige KZ Buchenwald verschleppt, das sich sehr schnell mit Aristokraten und Intellektuellen füllte. Dort starb der Herzog 1947 unter bisher ungeklärten Umständen und wurde in einem Massengrab verscharrt. Die Familie setzte ihm 1996 am Schloss ein Denkmal. Die Herzogin konnte heimlich mit ihren fünf Kindern bei Nacht ohne jedes Gepäck in den Westen fliehen.

Das Schloss wird erst Lazarett, dann Forstschule

Das Schloss wurde besetzt, geplündert, die wertvollsten Gemälde nach Russland verbracht. Von dem berühmten Kronschatz fehlt bis heute jede Spur. Die Innenräume dienten dann als Lazarett, aus hygienischen Gründen riss man die kostbaren Seidentapeten herunter, Spiegel und Stuck wurden zerschlagen. Zu DDR-Zeiten wurde das Schloss als Forstschule genutzt, die Schlosskirche ließ das Regime zu Seminarräumen umbauen, Wände und Decken wurden eingerissen, jede Erinnerung an das höfische Leben verschwand. Nach der Wende ab 1989 versuchte die Familie, ihr Eigentum zurückzuerhalten, das scheiterte jedoch – wie bei den meisten adeligen Familien. Die Stadt übernahm das Gebäude, suchte nach Nutzungsmöglichkeiten und begann, die Verschandelungen aus der DDR-Zeit zu beseitigen. Die Schlosskirche wurde restauriert und wird seitdem häufig für Trauungen genutzt. Ein Filmmuseum bezog den Ostflügel und eine Gaststätte mit schöner Terrasse zog in die mittelalterlichen Klosterräume ein.

Der einst von der herzoglichen Familie als Privatbereich bewohnte Südflügel fand keine befriedigende Nutzung. Kleine Ausstellungen wurden in den leeren, weiß gestrichenen Räumen veranstaltet, vor deren Wände riesige Heizkörper standen, Raufasertapeten erinnerten eher an ein kleinbürgerliches Büros.

In diese Zeit fällt die Wiederbelebung des Anhaltischen Hausordens „Albrecht der Bär“, die Grablege befindet sich im Schlossbereich. Fortan wird hier jährlich die Investitur der neuen Mitglieder durch den Großmeister Prinz Eduard abgehalten.

Schlafzimmer

Revitalisierung des Schlosses wurde angegangen

Die Mitglieder des Ordens diskutierten immer wieder, in welch schlechtem Zustand sich das Schloss befand – zumal mit großen Schildern an den Straßen die Pracht vom Ballenstedter Schloss angepriesen wird. Prinz Eduard entschloss sich, dem Schloss wieder den alten Glanz zurückzugeben. Der Zufall wollte es, dass ein Mitglied der Familie Kunsthistoriker ist und bereit war, die Revitalisierung des Schlosses in die Hand zu nehmen – zumal er auf einige gelungene Projekte verweisen konnte.

Es gelang den Initiatoren, den Bürgermeister und die Stadtverwaltung von dem Revitalisierungskonzept zu überzeugen, und zu Beginn dieses Jahres konnten die Arbeiten beginnen.

Zuerst wurden acht Räume für die Arbeiten ausgesucht, etwa zwei Drittel der ehemaligen Wohnräume. Das ehemalige Audienzzimmer mit den gemalten römischen Ansichten war dem Vandalismus wie durch ein Wunder entgangen und präsentierte sich in zeitloser Schönheit. Auch die sehr kostbaren marquetierten Fußböden, die Lambris, die Türen und Fenster waren erhalten geblieben – so wie in fast allen Räumen auch der Stuck. So mussten nur die Wandflächen neu gestalten werden.

Die Wiederherstellung der Seidentapeten aus der Zeit um 1900 war kostenbedingt nicht zu verwirklichen. Stattdessen wurde erhaltene Aquarelle aus den Innenräumen installiert, die den Zustand der Räume um 1860 wiedergeben. Nun erstrahlen die Wände der Räume in starken und leuchtenden Rot­, Grün­, Gelb­ und Rosatönen. Nach Feststellung der Funktionen der einzelnen Zimmer wurden die Wände getönt, das Holzwerk ausgebessert und die Fußböden behandelt.

Von der Einrichtung waren allerdings nur noch eine Kommode und ein Sekretär aus der ursprünglichen Möblierung vorhanden, Ballenstedter Bür­ger hatten sie zurückgegeben. Von allen übrigen Dingen, die durch Fotografi en aus der Zeit vor 1945 belegt sind, fehlte jede Spur.

Wie also sollten die Räumlichkeiten eingerichtet werden, um die Wohnkultur der letzten Askanier aufzuzeigen? Zeichnungen, Aquarelle und Fotografi en aus der Zeit bis zum Zweiten Welt­krieg halfen, den besonderen Wohnstil unter der Herzogin Friederike von Anhalt Bernburg bis zu Herzog Joachim Ernst nachzuempfi nden. Die fehlenden Möbel und Objekte wurden als Geschenke oder als Leihgaben von Freunden des Hauses Anhalt und durch die Familienmitglieder bereitgestellt – wobei zu bewundern ist, dass S. H. Prinz Eduard von den wenigen restituierten Gegenständen noch einen Teil zur Ausstattung des Museums ausgeliehen hat.

Die Familienporträts belegen die bewegte Geschichte hier in Anhalt. 1945 wurden die Gemälde aus dem Tresor des Dessauer Residenzschlosses geraubt und als Beutegut in die Sowjetunion gebracht. In den 1950er-Jahren kamen diese Gemälde vermutlich zurück, nach Halle in die Moritzburg. Dort sonderte man die Porträts aus, verbrannte die zum Teil außerordentlich kunstvollen Rahmen von Nahl und Hoppenhaupt und zerfetzte und zerschnitt die Leinwände. Einige wurden auch als Abdeckung der schadhaften Dächer verwendet, wie das Kinderbild des Joachim Christoph von Anhalt-Zerbst aus der Cranach-Schule aufzeigt. Die Fragmente ließen die Initiatoren der Neugestaltung auf neue Untergründe fi xieren und präsentieren die Bilder so, wie sie die Geschichte hinterlassen hat, künftigen Generationen zur Mahnung.

Musikzimmer

Ein Rundgang durch das „neue“ Schloss

Um einen Eindruck über den höfi schen Glanz zu vermitteln, hier eine Beschreibung der fertig gestellten Räumlichkeiten: Über die Haupttreppe, deren Ausstattung aus den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts stammt, gelangt der Besucher in ein schilfgrünes Vorzimmer mit Porträts des Herzogs mit seinen Eltern Alexius Friedrich Christian und Marie Friederike von Hessen-Cassel. Zur Rechten öff net sich das rosa Musikzimmer mit den Porträts der Sophie Auguste und des Joachim Christoph von Anhalt-Zerbst. Ein Tafelklavier erinnert an die Musikliebe der Bernburger Herzöge, denen die Stadt das schon 1788 errich­tete Schlosstheater verdankt und dessen bedeutender Hofkomponist Carl Christian Agthe gerade eine Renaissance erlebt.

Der weitere Rundgang bringt die Besucher in das kostbare Audienzzimmer mit seinen originalen Wandmalereien. In diesem Raum wurden Audienzen abgehalten und die Cour, ein höfi scher Emp­fang, gegeben. Die von dem Berliner Maler Johann Heinrich Fischer um 1765 gemalten Capriccios von Rom orientieren sich an den Stichen Giovanni Battista Piranesis und den Fantasielandschaften Francesco Zuccarellis, wie sie übrigens auch in Wörlitz präsentiert werden. Allerdings sind hier die Rahmen noch ganz mit Rocaillen geschmückt und verraten dadurch ihre frühe Entstehung. Ein fantastischer Kristalllüster aus dieser Zeit und Sitzmöbel aus dem Schloss Georgium lassen Platz für das Betrachten des kostbaren eingelegten Fußbodens. Weiter geht es in den Salon der Herzogin, wo früher nach der Cour die Gäste Platz nahmen. Der dunkelrote Salon wirkt durch das geschlossene Ensemble von prächtigen Boullemöbeln und dem majestätischen Porträt der Herzogin Friederike aus der Zeit um 1860.

Audienzzimmer

Es folgt das Schreibzimmer mit anhaltinischen Barockmöbeln, die als einzige Originale aus dem alten Bestand erhalten sind. Besonders interessant ist das Schreibmöbel, das auf der einen Seite eine Kommode, auf der anderen Seite jedoch ein Schreibtisch ist.

Danach empfängt uns das in Schinkelblau gehaltene Schlafzimmer der Herzogin mit dem großen Himmelbett, der Frühstücksgarnitur aus Mahagoni und vergoldeten Bronzen sowie dem spitzenumhangenen Toilettentisch mit originalen silbernen Accessoires aus herzoglichem Besitz. Eine Alabasterampel brannte damals die ganze Nacht und verbreitete ein an Mondschein erinnerndes Licht.

Der Weg führt zurück über das Schreibzimmer durch eine Tapetentür, an Feuertüren vorbei mit Blick in das Kakaozimmer – an das sich der Prinz noch heute lebhaft erinnern kann. Hier wurde in einem winzigen Gelass Kaffee, Tee und Schokolade zubereitet, der Weg bis in die Schlossküche war nämlich zu lang.

Damit die Diener damals ins Erdgeschoss kommen konnten, wurde ein kleine Treppe hoch­gehoben. Besucher kommen so in den großen, besonders hohen und lichten weißen Speisesaal, der sich mit drei Fenstern und Balkon zum Hof orientiert. Dieser Raum trug einst eine reiche Rokokoausstattung, danach eine im Stil des Louisseize und dann eine Neurokoko-Dekoration. Diese kann noch wiederhergestellt werden, großzügige Spenden sind aber nötig.

Auf einem herrlichen Tischtuch mit dem großen eingewebten Staatswappen ist die tägliche Tafel mit herzoglichem Porzellan, Gläsern und Silber gedeckt. Ein großer Fruchtaufsatz aus geschliffenem Kristall bildet mit den dazu passenden Deckelvasen einen Tafelaufsatz wie er um 1830 üblich war. In den Wandvitrinen erinnern die Reste von Glas und Porzellan an die einstmals wohlgefüllten Porzellan- und Silberkammern. Die vier noch fremd genutzten Räume sollen in den folgenden Jahren mithilfe von Spenden ebenfalls ausgestattet werden.