Schloss Laibach

„Leben, wie es uns gefällt!“

Giso und Franziska Eben v. Racknitz leben mit ihren vier Kindern und seinen Eltern im Schloss Laibach und betreiben mit viel Elan die dazugehörende Landwirtschaft.

Von Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Zeit – die nehmen wir uns! Wir sind frei, können selbst bestimmen, was wir tun.“ Franziska und Giso Eben v. Racknitz genießen die gefühlten Freiheiten eines selbstbestimmten Lebens – obwohl ihre Tage bei näherer Betrachtung eigentlich mehr als ausgefüllt sind. Man spürt schon sehr bald: Die beiden lieben, was sie tun – und sie leben, wie sie es lieben: als Erben einer langen Tradition auf Schloss Laibach, inmitten einer großen Familie. Als selbstständige Landwirte, die eigene Ideen verwirklichen können.

Ein Schloss für drei Generationen

Franziska und Giso Eben v. Racknitz wohnen mit ihren vier Kindern – Felicitas (10), den achtjährigen Zwillingen Leopold und Nikolaus, Nesthäkchen Philippa (6) – und seinen Eltern, Ingo und Susanne Eben v. Racknitz in Schloss Laibach im württembergischen Landkreis Hohenlohe. Die Familie ist groß und immer willkommen: Gerade ist Gisos Schwester Ines aus China zu Besuch. Sie lehrt chinesische Geschichte an der Universität in Nanjing. Am Wochenende, zum Geburtstag der Mutter, kommt auch sein Bruder Falk. Er arbeitet als Kommunikationsdesigner in Mannheim. Eine Patentochter verbringt die sonnigen Herbsttage mit ihren beiden Kindern im Schloss: Während die Kleinen im Park Kastanien sammeln, spielt Constanze v. Schenk mit ihrer Tante Susanne vierhändig am Flügel im Salon. Susanne Eben v. Racknitz geb. Freiin v. Ruepprecht ist Musikerin, die von ihr veranstalteten Hauskonzerte sind im weiten Umkreis bekannt und beliebt. Ein paar Zimmer weiter schnitzt der 80-jährige Senior, Ingo Eben v. Racknitz, aufwendige Intarsien für einen Tisch. Auf Schloss Laibach gelingt das harmonische Zusammenleben mehrerer Generationen, die reibungslose Fortsetzung der Familientradition.

Auch die oft heikle Hofübergabe verlief harmonisch. Die war auf 2003 terminiert, aber eigentlich, so erzählt der heute 42-jährige Giso Eben v. Racknitz, „habe ich die Rolle als Landwirt in unserer Geschwisterreihe schon früh besetzt. Schon als Kind bin ich lieber Schlepper gefahren, statt Latein zu pauken. Und ich konnte schon immer gut mit meinem Vater zusammenarbeiten.“

Schlafzimmer

Vom Sommersitz zum Familienbetrieb

Ingo Eben v. Racknitz übernahm den landwirtschaftlichen Betrieb mit 100 Hektar Ackerland und 20 Hektar Wald in den 1960er-Jahren von seinem Vater Hans-Wilhelm. Ursprünglich hatte die Familie in Berlin gelebt, beschloss aber in den Kriegsjahren, im bis dahin nur als Sommersitz genutzten Schloss Laibach einen neuen Anfang zu wagen. Nach und nach lösten sie die landwirtschaftlichen Flächen aus der Pacht. Der Städter mutierte zum ideenreichen Landwirt. Vieles, was den Betrieb noch heute prägt, baute der Großvater auf. In den mageren Nachkriegsjahren züchtete er Gemüse, auf wenig ergiebigen Böden pfl anzte er Trockenblumen wie Silberdisteln und Schafgarbe. Bunt eingefärbt schmücken sie seit Jahrzehnten Gräber und dunkle Dielen.

Als gut ausgebildeter Agraringenieur brachte sein Sohn und Nachfolger Ingo Eben v. Racknitz den notwendigen Sachverstand mit, um den Betrieb von der „Flickschusterei“ der Nachkriegsjahre in solide wirtschaftliche Bahnen zu lenken. Stets aufgeschlossen für Neues, entschied sich Racknitz auf Anregung seines Schwagers Christian v. Wistinghausen, dessen Familie Rudolf Steiner und seinen Ideen sehr nahestand, für den Anbau von Biokarotten, Roter Bete und Sellerie nach streng biologischen Vorgaben. Grinsend erinnert sich sein Sohn noch heute an die skurrilen Versammlung beim Mittagessen, wenn zehn Lehrmädchen und Lehrbuben in selbst gestrickten Pullovern mit zottelig langen Haaren mit am Esstisch saßen.

Allesamt Ökofreaks, die grün wählten und am liebsten Grünfutter aßen. Im Sommer waren die Lehrlinge mit Hacken, Jäten und Ernten beschäftigt, im Winter aber halfen sie dem geschickten Do-it-yourself-Baumeister bei der Sanierung seines Schlosses. Teile des im 16. Jahrhundert erbauten Renaissanceschlosses waren bis auf die Außenmauern zusammengebrochen. Mit seiner langmähnigen Mannschaft richtete Racknitz Mauern auf, zog Wände und Decken ein, zeigte ihnen, wie man Stühle, Tische und Türen schreinert. Eigenhändig legte der Hausherr die überputzte Lüftlmalerei um die Fenster frei und ließ sie sorgfältigst nachzeichnen. „Das Haus war schon immer die große Leidenschaft meines Vaters, das Geld dafür erarbeitete er mit der Landwirtschaft“, erklärt sein Sohn.

Zehn Jahre betrieb der Biobauer ökologischen Gemüseanbau, dann stürzte er sich auf ein neues Projekt und baute den ersten Putenmastbetrieb in Baden-Württemberg auf. Das Geschäft mit dem Federvieh fl orierte besser und brauchte weniger Manpower als die Pfl ege der sensiblen Gemüse pflänzchen und der Trockenblumen, die als zusätzliche Standbeine, aber im jetzt kleineren Umfang fortgeführt wurden.

Musikzimmer

„Jetzt bist du der Chef!“

Im Jahr 2003 überschrieb Ingo Eben v. Racknitz den Besitz auf seinen Sohn. Er war damals 65 Jahre alt, sein 27-jähriger Sohn Giso hatte das Landwirtschaftsstudium in Nürtingen beendet, ein Jahr lang in Amerika verbracht und mit Franziska geb. v. Below eine patente Partnerin für das Leben auf dem Land gefunden. Dennoch unkten die Nachbarn: „Viel zu früh! Das geht nie gut!“ Aber es funktionierte. Vater und Sohn blieben ein bewährtes Team. Und auch wenn der Senior oft betonte: „Du bist jetzt der Chef!“, fühlte sich der Junior nie allein. Das war mehr als hilfreich, denn er musste „erst in die Gummistiefel reinwachsen“, die gleich am Anfang seiner Laufbahn „im Morast versanken“.

Die Vogelgrippe breitete sich aus. Keiner kaufte mehr Putenfleisch.

Als Gegenreaktion jedoch fand das Biogemüse endlich seinen Weg in die Supermarktregale. Entsprechend schnell wurde in Laibach umgedacht – und alle Zeichen wieder auf „Bio“ gestellt. Doch nicht jedes Experiment gelang: Schnittsalat beispielsweise erwies sich als zu teuer. Der Biomarkt ist ein sensibles Geschäft mit schnell wechselnden Moden. Bewusste Verbraucher sind nicht bereit, jeden Preis für Bioware zu zahlen. Was Anfang des Jahres noch lukrativ erschien, konnte sich durchaus zur Erntezeit als Flop erwiesen. Also suchten Vater und Sohn schnell nach Auswegen: Als der Biogetreidemarkt zusammenbrach, zogen z. B. Bioschweine auf dem Hof ein und wälzten sich gemütlich im dicken Stroh. Aber auch sie sind längst ausgezogen. Nichts ist für immer, und vieles hängt vom Zufall ab.

Audienzzimmer

Kürbisse für Korea

Vor einiger Zeit besuchte eine Delegation koreanischer Lebensmittelexperten den Schlossbetrieb. Im holzgetäfelten Esszimmer, mit Blick auf Ahnenbilder und Geweihe, verliehen die sichtlich beeindruckten Asiaten den Kürbissen vom Schloss das koreanische Biozertifikat. Seitdem reisen Container voller Kürbisepüree nach Korea und werden dort als Smoothie serviert.

„Kürbis kommt gut an! Nicht nur in Korea!“, freut sich Giso Eben v. Racknitz. Auf 50 Hektar Ackerland werden mittlerweile 1000 Tonnen Kürbisse. geerntet. Kurz vor Halloween, waschen die Arbeiter die dicken orangefarbene Kugeln im Akkord an der von Giso selbst entwickelten Kürbiswaschanlage. Sie werden sortiert und auf riesige Paletten geschichtet, fertig für den Abtransport. Wann der ist, entscheidet sich manchmal im Morgengrauen. Dann erhält der schlaftrunkene Bauer eine SMS von Aldi oder Edeka. Nur Stunden später fahren die beladenen Laster vom Hof.

Schnell zugreifen, flexibel auf neue Ideen reagieren zu können, „das ist für mich der Charme der Selbstständigkeit“, schwärmt Racknitz. So entschied er sich auch sofort, das Angebot des Schweizer Unternehmens Bell Food Group anzunehmen. Seitdem betreibt er seine Putenzucht nach den Richtlinien des Schweitzer Tierschutzbundes – weniger Tiere, mehr Freilauf, spezielles Futter. Die Schweizer zahlen, nicht nur die Puten profitieren. 13 500 Puten gedeihen in gigantischen Ställen abseits vom Schloss. Für weitere 9000 Puten hat Giso Eben v. Racknitz vor drei Jahren einen Betrieb in Brandenburg gekauft. Damit „sein Laden“ läuft, verbringt er viel Zeit im Büro, kümmert sich um Zertifizierungen, Verbraucherschutz und Verwaltung. Ohne die Hilfe seiner Frau würde er „in Formularen versinken“.

„Heutzutage braucht man für alles eine Genehmigung! Durch die vielen Regularien kann ich nicht schnell auf Marktlücken reagieren“, stöhnt er, und seine Frau pflichtet ihm bei: „Die Leichtigkeit des Seins ist vorbei – alles ist festgelegt, wird mit Satellitenbildern dokumentiert.“ Einen nicht unerheblichen Teil des „Papierkrams“ übernimmt sie – die Lohnabrechnungen und alles, was mit dem Personal zusammenhängt, landen auf ihrem Schreibtisch. 20 Arbeiter aus Polen und Rumänien leben auf dem Hof. Für sie ist die gerade mal 40-Jährige „la Mama“, die bei Streitfällen gern als Schlichterin fungiert. Mit den Jahren hat die „Mutter der Menage“ Rumänisch gelernt, versteht es, mit ruhiger Hand zu lenken und zu leiten. Franziska und Giso Eben v. Racknitz sind ein gutes Team, inspirieren und motivieren sich gegenseitig. Im letzten Winter wurde der Turm als Ferienwohnung ausgebaut. Seit die aparten Gastzimmer über Airbnb vermietet werden, freut sich die Schlossherrin über Gäste aus aller Welt. „Der Charme unseres Betriebes ist, dass es unsere eigene Entscheidung ist, was und wie viel wir machen.“ Bewusst schöpfen sie nicht alle Möglichkeiten aus, vermieten den Saal nicht als Location für Veranstaltungen, wollen sich ihre Privatsphäre und vor allem die ruhigen Abende bewahren. Wenn die Kinder schlafen, zieht sich die viel beschäftigte Mutter gern in ihr Atelier zurück und malt. In eigenwilliger Bildsprache spielt sie mit Farben und geometrischen Linien, Licht und Schatten. Mehrmals im Jahr zeigt die autodidaktische Künstlerin ihre großformatigen Kunstwerke bei Ausstellungen. Dann genießt sie es, mal nicht „Mutter von …, die Frau von … oder die Schwiegertochter von …“ zu sein. „Die Anerkennung für etwas, das ich allein geschaffen habe, tut mir gut“, lächelt sie fröhlich. „Aber letztlich ist es die Summe meiner vielen verschiedenen Rollen, Aufgaben und Pflichten, die mich erfüllt“, sagt sie und findet damit die volle Zustimmung ihres Mannes. Der erzählt daraufhin, wie sich in ihrem Umfeld immer mehr Bauern zu Großbetrieben zusammenschließen. „Ich kann das nachvollziehen“, sagt Giso Eben v. Racknitz. „Für uns kommt das allerdings nicht infrage. Schon wegen unserer Kinder werden wir weitermachen wie bisher. Später kann unser Nachfolger dann selbst entscheiden, ob er auch so leben möchte, wie es uns gefällt.“