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Ein Konzert rettet die Burg

Es war ein Tipp vom Friseur, der die Burg Namedy in den Besitz der Sigmaringer Prinzen v. Hohenzollern brachte. Eng verbindet sich die Familiengeschichte mit dem Schicksal der Burg. Heute ist Burg Namedy nicht nur die Heimat von Prinzessin Heide v. Hohenzollern und ihren Kindern, sondern auch eine bekannte Eventlocation.

Dorothee Gräfin v. Walderdorff

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Beim Haareschneiden machte Prinz Karl Anton v. Hohenzollern seinem Unmut Luft. Die Eitelkeiten am Kaiserhof, dieser unangenehme Eklat mit seinem Vorgesetzten … Der Hohenzollernprinz, der als preußischer Generalleutnant am Kaiserhof diente, war genervt. Dazu kam, dass seine bildhübsche junge Frau, Josephine Prinzessin von Belgien (ihr jüngster Bruder wurde 1909 König von Belgien), ständig über Heimweh klagte.

Der rheinisch-fröhliche Friseur hatte dafür allergrößtes Verständnis und schließlich einen Geistesblitz. In seiner Heimat Andernach stand die Burg Namedy zum Verkauf. „Die Burg ist malerisch zwischen Brol und Andernach im Rheintal gelegen, wie geschaffen für seine Excellenz“, schwärmte er und zwirbelte die Schnurrbartenden des Prinzen nach oben. „Wunderbare Idee“, rief der Prinz, verdoppelte das Trinkgeld und eilte gut gelaunt in sein Palais.

Josephine war entzückt, schickte eine freudige Depesche an Mama und Papa und sicherte die Finanzierung für den Kauf und die Unterhaltung, der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Burg durch das belgische Königshaus.

„Nun wird alles gut“, freute sich Prinzessin Josephine, die mit der Liebesheirat ihres direkten Cousins (ihre Mutter war die Tochter des Fürsten KarlAnton v. Hohenzollern-Sigmaringen) im Mai des Jahres 1894 den Familienfrieden nachhaltig erschüttert hatte. 1909 wurde der Kaufvertrag mit den damaligen Besitzern, den Fürsten Henckel-Donnersmarck (siehe Kasten links) geschlossen. Der Andernacher Architekt Clemens Kroth wurde mit den Umbauarbeiten und dem Bau eines repräsentativen Spiegelsaals beauftragt. Dann zog das prinzliche Paar mit seinen Töchtern Stephanie, Marie-Antoinette und dem kleinen Stammhalter Albrecht samt Hofstaat ins Rheinland.

Erster Weltkrieg: Der Spiegelsaal wird Lazarett

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Lange konnte Prinz Karl Anton seine neue Heimat jedoch nicht genießen. Der Generalleutnant musste an mehreren Fronten kämpfen, während Josephine in den Sälen der Burg ein Lazarett einrichtete. Mit einer schweren Lungenentzündung kehrte er schließlich in sein von Amerikanern besetztes Schloss zurück. Vorbei der Glanz vergangener Zeiten. Während der Kriegsjahre hatte der belgische Hof seine Zahlungen eingestellt. Prinz Karl Anton starb schon bald nach seiner Rückkehr 1919.

Die Burg Namedy fiel an seinen 21-jährigen Sohn Albrecht. Zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters heiratete er Ilse Margot v. Friedeburg, Tochter des erfolgreichen Majors Friedrich v. Friedeburg. Das Mehrgenerationenmodel funktionierte. Josephine regierte im Haus, Ilse Margot gebar ein Kind nach dem anderen. Vier Töchter und dann endlich, 1939, der heiß ersehnte Sohn und Stammhalter Godehard. Eine Kriegsgeburt. Lange vor seiner Ankunft hatte Prinzessin Josephine dem Nazideutschland und bald auch der kriegslüsternen Welt den Rücken zugekehrt. Sie gründete im belgischen Namur ein Kloster, lebte dort bis zu ihrem Tod 1958. Ihr Sohn Albrecht hingegen gehörte nach „Aufstellung derjenigen Parteigenossen, die Angehörige fürstlicher Häuser sind“, seit dem 1. Januar 1934 der NSDAP an. Entflammt von nationalsozialistischer Begeisterung komponierte der begabte Musiker eine, damals hoch gewürdigte, „vaterländische Kantate“ für Chor und Orchester. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Albrecht Prinz v. Hohenzollern zur Wehrmacht einberufen und später als Onkel des rumänischen Königs Michael I.(sein Großvater Fürst Leopold v. Hohenzollern war der jüngere Bruder des rumänischen Königs Ferdinand I.) als Major bei der Deutschen Heeresmission in Rumänien eingesetzt. 1944 geriet der Prinz in Kriegsgefangenschaft – die kaiserliche Ver-wandtschaft wurde zum lebensbedrohlichen Nachteil. Doch seine Liebe zur Musik hat ihn getragen – und gerettet. Unter schwierigsten Bedingungen gründete Prinz Albrecht ein Gefange nenorchester, spielte sich in die Herzen seiner Mitgefangenen, die seine Herkunft verschleierten und ihm den Namen „Zollern“ gaben. Dank seines falschen Namens gelang es ihm, kurz vor einer geplanten Deportation nach Bukarest, entlassen zu werden. Auf der Heimreise, in Cochem an der Mosel, nur noch wenige Kilometer von Namedy entfernt, wurde der Heimkehrer von Franzosen aufgegriffen und erneut inhaftiert. Erst drei Jahre später durfte er endlich nach Hause, zurück zu seinem Flügel.

Nachkriegsjahre: geschundene Burg

„Als ich meinen Schwiegervater kennenlernte, summte er immerfort eine Melodie von Brahms“, erinnert sich Prinzessin Heide v. Hohenzollern an ihren ersten Besuch in Namedy. Die Jurastudentin Heide Hansen hatte den allseits beliebten, fröhlichen Hohenzollernprinzen Godehard bei Freunden in München kennengelernt. Godehard, aufgewachsen in Namedy, genoss das musikalische Leben in der bayerischen Hauptstadt in vollen Zügen. Er hatte Abonnements für alle Münchner Konzertsäle – mit jeweils zwei Karten, da er nicht gern allein ins Konzert ging. Bald war die zweite Karte für Heide reserviert. Namedy war weit, weit weg. Und das war gut. „So ein heruntergekommenes Haus hatte ich noch nie gesehen: In einigen Räumen gab es keine Heizung, keine Elektrizität, durch die Decke des Festsaals wuchsen Bäume“, stellte die Tochter des Bergwerksdirektors Hellmut Hansen erschreckt fest. Ein Leben auf der von zwei Weltkriegen geschundenen Burg konnte sie sich bei ihrer Hochzeit mit Godehard Karl Anton Heinrich Albrecht Josef Ernst Egon Hermann Johann Georg Rudolf Tassilo Benedikt Maria Prinz von Hohenzollern nicht vorstellen.

Das junge Paar blieb in München. Der Prinz arbeitete als Kaufmann bei einer Bank. Die Abende verbrachten sie in Konzertsälen oder in der Oper. 1978 wurde Sohn Carlos geboren, fünf Jahre später die kleine Anna. Es war eine sorglose Zeit, in der sie die Gedanken an ihr schwieriges Erbe verdrängten. Mit dem Tod von Prinzessin Ilse Margot, elf Jahre nach Prinz Albrecht, war dies allerdings nicht mehr möglich.

Wie können wir die Tradition erhalten, ohne an ihr finanziell zugrunde zu gehen?“ Die Instandhaltungskosten waren immens. Aber war die Zeit der Schlösser nicht längst vorbei? Wie anders als durch den Verkauf könnte man das Recht der drei Schwestern auf ihren Pflichtteil erfüllen? Prinz und Prinzessin Hohenzollern grübelten lange, bis die Entscheidung fiel: Verkauf! Es war geplant, erst das Inventar in einer großen Auktion zu verkaufen, dann die leer geräumte Burg.
Ein Mammutprojekt. In vielen Räumen stapelten sich Kisten und Möbel bis unter die Decke. Nicht nur das, was die im Haus einquartierten Flüchtlinge nicht mehr brauchten, sondern auch Möbel, die für eine Woche im Spiegelsaal abgestellt und längst vergessen waren. Der Saal glich einem Möbellager. Das schafft man nicht an Wochenenden, erkannte die zupackende Prinzessin und zog mit den beiden Kindern kurzerhand nach Namedy. Der Prinz arbeitete weiter in München, schließlich wollte die Familie auch nach dem geplanten Verkauf wieder dorthin zurückkehren. Prinz Godehard unterstützte seine Frau an den Wochenenden. Ein Jahr Schwerstarbeit, viele, viele Container, gefüllt mit Unbrauchbarem, dann waren Spiegelsaal, Rittersaal und Gästeflur leer geräumt. Als der Prinz den leer geräumten Spiegelsaal sah, die gute Akustik hörte, schlug sein Musikerherz höher. Einmal, so sein Wunsch, sollten sich diese Räume mit Tönen und mit Menschen füllen. Musikerfreunde reisten mit ihren Instrumenten an, 300 Zuhörer kamen zum ersten öffentlichen Konzertwochenende. Ein Riesenerfolg.

„Warum machen Sie nicht ein Festival?“

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„Prinz, warum machen Sie nicht ein Festival für unsere Stadt?“, bestürmte der Oberbürgermeister von Ander nach den Hausherrn in der Pause. Wenig später besuchten die Hohenzollern Freunde in England, darunter auch Yehudi Menuhin. Spontan entschloss sich der weltberühmte Geigenvirtuose die Schirmherrschaft für das geplante Festival zu übernehmen. Sein Name machte das Festival für die Kulturszene interessant. Die Andernacher Musiktage waren geboren. Nach dreijähriger Pendelei kam Prinz Godehard nach Namedy zurück und richtete sich ein Büro im Hauptturm ein. Von hier aus plante er das jährliche Festival, Konzerte und Kunstausstellungen. Doch mit Musik allein ließ sich das Haus nicht unterhalten. Inzwischen hatte das Land Rheinland-Pfalz die Grundsanierung des Gebäudes großzügig unterstützt. Jetzt mussten Einnahmequellen gefunden werden, um die Instandhaltung zu sichern. Der wiedererlangte Charme des Hauses aber durfte dabei nicht zerstört werden.
Prinzessin Hohenzollern begann, die Säle an Hochzeitsgesellschaften und für Feste zu vermieten. Fantasie ersetzte die fehlenden Mittel – aus Leintüchern wurden Tischdecken, den Blumenschmuck pflückte sie am Wegesrand.

Mit den Jahren füllte sich der Veranstaltungskalender. Doch dann, 2001, starb Godehard Prinz v. Hohenzollern mit nur 62 Jahren völlig unerwartet an einem Herzinfarkt. Für die Familie ein Schock. Aufgeben oder weitermachen? Bislang war nur ein Teil der Burg renoviert, zwei weitere Flügel galt es noch mit Heizung und neuer Elektrik auszustatten. Die Versicherung kündigte. Aber Prinzessin Heide ist eine Kämpferin. Sie verhandelte mit den Banken, mit der Versicherung, und sie fand in ihrer neuen Mitarbeiterin Monika Dressel eine Stütze und Partnerin. Nach ihrem Studium als Medienwirtin kam Tochter Anna dazu. Ein starkes Frauentrio lenkt heute die Geschicke der Burg – originell und erfolgreich. Bis zu 80-mal im Jahr erleben australische Gäste ein Galadiner im Spiegelsaal – ein Highlight ihrer Schiffsreise von Amsterdam nach Budapest. Das Marketingkonzept der Burg „Unser Zuhause ist Ihr Zuhause“, bei dem Gäste nicht nur einen Saal, sondern das ganze Schloss nutzen können, findet großen Anklang. Von Januar bis Dezember finden auf Burg Namedy mehr als 30 Konzerte und Kunstprojekte statt. Dazu kommen Tagungen, Feste, Firmenevents und Parkver-anstaltungen. Meist mittendrin, umringt von ihren Gästen, steht Prinzessin Heide v. Hohenzollern: „Hier habe ich meine Erfüllung gefunden“