Schloss Bückeburg

„Eine titanische Aufgabe!“

Um sein Erbe – ein prachtvolles Schloss, 80 Hektar Park, Waldbesitz – und Landwirtschaft zu erhalten, zieht Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe alle Register: vom Weihnachtsmarkt bis zum Krimi­Dinner.

Von Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Man kennt ihn, bevor man ihn kennenlernt. Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe hat Promi-Status. Ein neues schönes Gesicht an seiner Seite, wie das der iranischen Pianistin Mahkameh Navabi, führt zum Rauschen im Blätterwald, auf Facebook ist er ein bekannter Blogger, der gern seine politische Meinung verkündet (pro FDP) und Provokationen nicht scheut. „In meiner Jugend war ich ein Rebell“, verkündet der Fürst dann auch gleich am Anfang unseres Gesprächs. Die Vorstellung, dass der Aristokrat im eleganten Maßanzug mit passender englischer Krawatte einst im Schmuddel-Parka und abgewetzter Jeans gegen die Reichen stänkerte, fällt schwer. Der Chef des Hauses Schaumburg-Lippe umgibt sich mit opulenter Eleganz: Roentgen-Kommoden, moderne Kunst an den Wänden, wertvolle Klassiker im Regal. Am Fenster, unter einer bestickten Brokatdecke, steht ein großer Flügel. Am Ende unseres Gesprächs wird sich der einstige „Rebell“ ans Klavier setzen und spontan eines seiner Lieblingsstücke spielen.

Ernst-August Alexander Christian Viktor Hubert Prinz zu Schaumburg-Lippe, geboren 1958, wuchs als zweiter Sohn von Fürst Philipp Ernst zu Schaumburg-Lippe (1928–2003) und Eva-Benita geb. Freiin von Tiele-Winckler (1927–2013) in Bückeburg auf. Als Kind segelte der Zweitgeborene stets im Windschatten seines älteren Bruders Georg-Wilhelm, dem designierten Erben. „Ich wunderte mich manchmal über die gut sortierte Plattensammlung meines Bruders und dass er immer flüssig war“, erzählt er. „Aber so war das früher eben. Der Erbe hatte Privilegien, das nahm man so hin.“

In seiner Jugend war ihm Bückeburg oft zu eng, gern wäre er ins Internat gegangen. Doch seine Eltern waren dagegen, fanden sich mit Jeans, Parka und wachsendem Widerspruch ab. Als ihr „pubertierender Klassenkämpfer“ dann allerdings den Jusos beitreten wollte, sprach der Vater ein Machtwort: „No way, mein Freund!“

Der nur ungern gehorsame Sohn fügte sich und wartete aufs Abitur, um endlich seinen Neigungen zu folgen. Er studierte Politik und Musik in München, träumte davon, Journalist zu werden, schrieb sich aber dann doch für ein Jurastudium in Göttingen ein. Noch hatte der seriöse Studiengang für „Schaumi“, wie der Fürst von seinen Freunden genannt wird, eher Alibifunktion für ein lässiges Studentenleben.

Alexander Fürst zu Schaumburg­-Lippe

„Als mir die Nachricht überbracht wurde, war ich wie taub“

Alexander zu Schaumburg-Lippe war 24 Jahre alt, als sein Bruder Georg-Wilhelm bei einem Motorradunfall ums Leben kam. Ein dunkler Schatten zieht über sein Gesicht: „Ich wusste nicht, wie mir geschah – von Stund an hatte ich eine ganz andere Lebensperspektive.“

Der Tod des Bruders, die neue Rolle als künftiger Chef des Hauses Schaumburg-Lippe bewirkten eine Metamorphose. Mit bislang ungekanntem Ehrgeiz beendete er sein Jurastudium, zwang sich zur Weiterbildung im Finanzbereich. Ein Jahr arbeitete er in der Kanzlei eines Wirtschaftsprüfers, absolvierte ein Trainee-Programm als Banker. Und: Er wurde sich seiner Rolle in der Gesellschaft bewusst. An seinem 27. Geburtstag versammelte der künftige Fürst die „Jeunesse dorée“ zur verspäteten „Inaugurations-Party“ in Bückeburg. Der jugendliche Aussteiger war in seinen Kreisen angekommen. Mittlerweile ist Bückeburg wieder Treffpunkt des internationalen Hochadels, gekrönte Häupter und geschlossene Kronen versammeln sich zu rauschenden Festen im fürstlichen Ballsaal. Alexander zu Schaumburg-Lippe war 34 Jahre alt, als er die damals knapp 21-jährige Marie-Louise „Lilly“ Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg heiratete. Ein Jahr später wird Sohn Heinrich Donatus geboren. In Bückeburg läuten die Glocken, der Fortbestand der Familie ist gesichert. Bald nach der Märchenhochzeit mit der alle bezaubernden Lilly wurde dem Jungvermählten die Verantwortung für das Familienvermögen übertragen. Die Zeitenwende erahnend bestürmte er seinen Vater mit neuen Geschäftsideen. „An der Schloss-brücke hört das Business auf“, warnte der alte Fürst. Und der junge entgegnete: „Im Gegenteil: Da fängt es erst richtig an! Die Zeiten sind vorbei, in denen Schlösser als luxuriöse Einfamilienhäuser genutzt werden können!“

Barocker Glanz im Gelben Salon

Heute bewohnt Fürst Schaumburg elf der insgesamt 250 Räume in einem Nebengebäude der vierflügeligen Schlossanlage (siehe Kasten). Vom Eiskeller bis zum Speicher, durch fürstliche Prunksäle und elegante Boudoirs werden täglich staunende Besuchergruppen geführt.

Den ersten Vorstoß zu mehr Öffentlichkeit machte der rücksichtsvolle Sohn allerdings noch außerhalb der väterlichen Bannmeile mit dem Bau eines Parkcafés, später das „Lilly’s“. Bei Bier, Brezeln und Jazz quetschten sich 3000 Gäste bei der Eröffnung auf die Bänke. Mit ihnen auch der Senior, der den Erfolg dann doch genoss.

„Damit decken wir das Dach“

Sieben Jahre später wagte Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe den Schritt zur Großveranstaltung. Im Jahr 2000 fand im Bückeburger Park die erste „Landpartie Schloss Bückeburg“ statt. 8000 Besucher schauten und shoppten in Schloss und Park. Der sensationelle Rekord von damals wird heute längst überboten.

Noch mehr kommen zum jährlichen „Weihnachtszauber“, wenn kilometerlange Lichterketten Burg und Bäume wie ein Sternenmeer erleuchten. Nostalgische Buden, bärtige Weihnachtsmänner und Engelsscharen im Winterwald verbreiten festliche Stimmung.

Jeder der rund 80 000 Besucher von Weihnachtsmarkt und Landpartie zahlt 16 Euro Eintritt. Ausgesorgt hat er damit jedoch nicht. „Das reicht gerade mal fürs Dach!“, so der betriebswirtschaftlich fortgebildete Fürst und bemerkt mit leichtem Grinsen: „Aber auch kleine Mäuse haben Schwänze!“ Bleibt man bei diesem Bild, dann rennen Scharen kleiner, aber auch einige recht fette Mäuse durch Bückeburg. Zu den „dicken“ zählen das „Mittelalterlich Phantasie Spectaculum“, bei dem verkappte Ritter, Knappen und Marktweiber ihr Lager unterhalb des Mausoleums aufschlagen, und die Oldtimer-Show für Autonarren.

Sehr geschickt lockt der Fürst Verliebte und Verlobte mit einer Hochzeitsmesse ins Schloss. Braut und Bräutigam suchen dort nach dem passenden Outfit und entdecken dabei ihre Traum-Location. Im Boisseriesaal können sie sich standesamtlich trauen lassen, in der wunderschönen Schlosskapelle kirchlich heiraten und später im festlich dekorierten Gartensaal feiern.

Der große Festsaal

Das ganze Jahr über eilen Pferdefreunde zu den Dressurvorführungen in der Fürstlichen Hofreitschule, der einzigen privaten Einrichtung ihrer Art in der Welt. Betrieben wird sie von der pferdebegeisterten Familie Krischke. Hundebesitzer, und nicht nur die, kehren nach ihrer Gassi-Runde im öffentlich zugänglichen Park in dem zum Edelrestaurant gewandelten einstigen Biergarten „Lilly’s“ ein oder speisen in der „Alten Schlossküche“. Der Veranstaltungskalender in Bückeburg ist eng getaktet, zwischen den großen Events sorgen „kleine Mäuse“, wie ein Krimi-Dinner, ein Festmahl für Vampire an Halloween und spezielle Führungen für Kinder, Kunstinteressierte und Nachtschwärmer dafür, dass der Besucherstrom nicht abreißt. Ein fester Stab von 60 Mitarbeitern organisiert den reibungslosen Ablauf, der Fürst bemüht sich um immer neue Ideen. Seiner Liebe zur Musik ist es zu verdanken, dass alljährlich die Meisterkurse der Internationalen Musikakademie für Solisten in Bückeburg abgehalten werden, dass weitere klassische Konzerte stattfinden und zuweilen berühmte Jazzbands ins Weserbergland finden. Der Stimmungspegel steigt, wenn sich der Hausherr dazugesellt und selbst in die Tasten greift. Mit großem Elan und Einfallsreichtum erhält Fürst Alexander zu Schaumburg-Lippe die viele Jahrhunderte alte Tradition, indem er dafür notwendige Veränderungen einführt. Eine „titanische Aufgabe“, so bezeichnet er die Herausforderung, sein Erbe zu erhalten und in die nächste Generation zu führen.

Das Business wuchs, die Ehe aber scheiterte. Im Februar 2000 zog Ehefrau Lilly Prinzessin Wittgenstein mit dem gemeinsamen Sohn Heinrich Donatus nach München, dann nach Mailand und heiratete 2002 in zweiter Ehe den Designer Lambros Milona. Fünf Jahre nach seiner Scheidung heiratete Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe die Münchner Juristin Nadja Anna Zsöks. Das Paar bekommt zwei Töchter, heute sechs und neun Jahre alt. 2015 trennte sich auch dieses Paar. Bindeglied zwischen allen und Erbe von allem ist Donatus, mittlerweile 23 Jahre alt. Mit großer Sorgfalt und viel Überlegung bereitet ihn sein Vater auf seine künftige Rolle als Chef des Hauses vor. Donatus hat seine eigene kleine Wohnung im Schloss, er wird eingeweiht in die Zahlen, aber nicht eingebunden ins Tagesgeschäft. „Mein Sohn soll sich zu einer unabhängigen Persönlichkeit entwickeln können. Ich möchte, dass er später einmal sagen kann: Es ist schön, Besitz zu haben, aber abhängig bin ich davon nicht.“

Die anspruchsvolle Erziehung trägt Früchte. Als erster Deutscher „diente“ Donatus in der englischen Militärakademie Sandhurst, jetzt studiert er Wirtschaft an der Londoner Hult University. „Der Junge verfügt über bemerkenswerte Fähigkeiten und wird seinen Weg gehen“, freut sich sein Vater. Die Erbfolge ist gesichert. Dieser Gedanke stimmt den Fürsten fröhlich. Spontan setzt er sich ans Klavier, eine heitere Melodie erfüllt den Raum.