Bassewitz

Zurück zu den Wurzeln

Mehr als 600 Jahre war das Gut Dalwitz im Besitz der Grafen v. Bassewitz. Nach der Wende kehrte Dr. Heinrich Graf v. Bassewitz aus Uruguay zurück auf den früheren Besitz seines Großvaters. Mit ihm seine südamerikanische Frau. Lucy Gräfin v. Bassewitz erzählt hier von ihren Anfängen in der „alten Heimat“ ihres Mannes.

Aufgezeichnet von Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Das „FerienGut Dalwitz“ liegt eine Stunde von Rostock entfernt in mecklenburgischer Einsamkeit. Dort kommt man nicht einfach mal vorbei. Wie schade! Dabei lohnt sich die Reise dorthin wahrlich, wie schon die begeisterte Erzählung von Lucy Gräfin v. Bassewitz am Telefon über ihren Neuanfang im Osten belegt. Ihr biografischer Bericht beginnt in Montevideo:

Uruguay im Sommer 1990

„Ich war 22, studierte Betriebswirtschaft, war voller Neugier und Tatendrang und pendelte zwischen dem quirligen Montevideo und Strandurlauben in Punta del Este. Meine Mutter ist Spanierin, meine Großeltern väterlicherseits waren aus Schottland nach Uruguay ausgewandert. Sie hatten eine Supermarktkette aufgebaut, die mein Vater übernahm. Deutschland war mir fremd, erst die Fernsehbilder vom Untergang der DDR weckten mein Interesse. ‚Ich will Deutsch lernen‘, erzählte ich einer Freundin. Prompt lud sie mich zu einem Abendessen mit einem unglaublich attraktiven Deutschen ein – Dr. Heinrich Graf v. Bassewitz. In einer Regennacht erzählte mir ‚Heino‘ von seinem Großvater, der 1945 seinen Besitz Dalwitz, wo die Familie seit 600 Jahren lebte, verlassen musste, enteignet wurde und nach Schleswig-Holstein floh. Ich spürte gleich, dass sie nicht nur tiefe Zuneigung, sondern vor allem die Liebe zu Dalwitz verband. Sein Großvater schwärmte von Dalwitz, einem ländlichen Idyll mit Teestündchen unter der blühenden Linde. Es waren Bilder wie diese, die sich meinem Mann einprägten, in ihm die Sehnsucht weckten, die Familientradition in Dalwitz fortzuführen – auch wenn die Realität dazu wenig Hoffnung bot. 1975 reiste mein Mann mit seinen Eltern nach Dalwitz, sie standen vor dem verfallenden Gutshaus, den schlecht bewirtschafteten Feldern. Aber die Bilder vom Teestündchen unter dem Lindenbaum waren stärker.

Gegen den Rat seiner Eltern, Dr. Henning-Friedrich Graf v. Bassewitz und Mechthild geb. Freiin v. Bodenhausen, studierte Heino Landwirtschaft statt Jura, wie sein von den Kriegserlebnissen geprägter Vater empfohlen hatte. Für ihn war Dalwitz Geschichte. Meine Schwiegereltern hatten sich in Bad Godesberg gut etabliert, fanden am Rhein eine neue Heimat. Heino dagegen zog durch die Welt, arbeitete als landwirtschaftlicher Berater für die GTZ in Afrika und war nach Uruguay gekommen, um eine Farm zu leiten. Fast zeitgleich wurde er, damals 38 Jahre alt, von mir und der Wende überrascht. Wir beschlossen zu heiraten und wollten uns Dalwitz zur Lebensaufgabe machen. Doch ein anderer war schneller, pachtete das Ackerland von Dalwitz. Wir mussten uns zunächst mit wenigen Hektar Grünland begnügen, konnten allerdings das Gutshaus von der Gemeinde zurückkaufen.

Dalwitz

Dalwitz am 14. Mai 1992

Mit zwei Koffern in der Hand standen wir vor einer Ruine. Ein Schock! Gewöhnt an städtisches Leben voller Annehmlichkeiten befand ich mich plötzlich zwischen bröckelnden Wänden in tiefster ländlicher Einsamkeit. Wir schliefen auf Matratzen, im ganzen Haus gab es nur ein einziges Klo, eine kippelige Badewanne ohne warmes Wasser. Gekocht haben wir auf einem Campingkocher, ernährten uns von Linsen und Bohnen aus Dosen, mehr hatte der spärlichst ausgestattete Supermarkt im zwei Kilometer entfernten Dorf nicht zu bieten. Während Heino mit seiner jovialen Art schnell Kontakt zu den Einheimischen fand, musterte man mich, als käme ich vom Mars. Ich war blond, sprach aber kein Deutsch. Uruguay ist für sie so weit entfernt wie einst Dalwitz für mich. An guten Tagen siegte meine Abenteuerlust, oft aber fühlte ich mich entsetzlich einsam. Besonders nachdem meine Eltern uns in Dalwitz besuchten und ihren Schrecken schlecht verbergen konnten. So hatten sie sich die Zukunft ihrer Tochter nicht vorgestellt! Zum Glück wurde ich bald schwanger. Mit der Schwangerschaft wuchs mein Verantwortungsgefühl: ,Jetzt musst du bleiben und das Beste daraus machen!‘, sagte ich mir.

SüdamerikanischesFlair

Mit wenigen Mitteln und viel Fantasie renovierten wir das Gutshaus. Wir kauften Rinder, setzten auf Biofleisch, züchteten mit unseren aus Uruguay mitgebrachten Criollo-Pferden, die in der ,Mecklenburger Pampa‘ gut gediehen. Langsam und mit viel eigener Arbeit eroberten wir uns Haus und Hof. Dann wurde Alexa geboren. Das Glück über das eigene Kind motivierte, ich begann die ersten Ferienwohnungen auszubauen, mein Mann konnte Ackerland pachten. Immer wieder quälten uns Geldsorgen, immer fanden wir einen Ausweg. Freunde gaben uns Kredit und übernahmen dafür einen Teil des Hauses, wir bekamen Fördermittel aus Brüssel. Als während der BSE-Krise keiner mehr Rindfleisch essen wollte, reduzierte Heino die Herde und stellte den Betrieb auf Ackerbau um. Irgendwie ließ sich für alles eine Lösung finden – nur für unsere kleine Alexa nicht. Sie war noch klein, als wir erfuhren, dass unsere Tochter an Epilepsie leidet. Regelmäßig musste sie im Rostocker Krankenhaus behandelt werden.

Wozu weitermachen?

Im Alter von nur zehn Jahren starb Alexa. Warum? Wozu dann das alles? Für wen? Wir waren verzweifelt, hätten beinahe alles aufgegeben. Ich wollte zurück nach Uruguay. Dann jedoch realisierte ich, wie unglücklich auch mein Mann über den Verlust seiner Tochter war. Sollte er sich jetzt auch noch von seinem Lebenstraum verabschieden müssen? Wir beschlossen zu bleiben, nahmen uns fest vor, in Dalwitz glücklich zu werden.

Hofrestaurant

Dalwitz heute

Es ist uns gelungen! 2007 kam unser Sohn Henning zur Welt, zwei Jahre später Isabelle und schließlich der heute siebenjährige Mathias. Mit unseren Kindern entdeckte ich die Lust am Landleben. Es sind Glücksmomente, wenn Mathias lachend erklärt, er sei ein ,Baumjunge‘, unsere Tochter verschwitzt und hungrig mit lehmverkrusteten Stiefeln in der Küche steht, alle drei mit ihrem Vater ausreiten. Jetzt herrscht Leben in Dalwitz – jetzt ist Dalwitz wieder Zentrum einer großen fröhlichen Familie, vielen Freunden und Feriengästen.“