Nicolaus Baron Pölnitz

Das Schloss der Falken

Nicolaus Freiherr v. Pölnitz zählt zu den renommiertesten Falkenzüchtern Europas. Er züchtet die majestätischen Greifvögel im Familiensitz Schloss Aschbach in Franken, bildet sie aus und verkauft sie an Scheichs in den Arabischen Emiraten, Katar und Saudi-Arabien.

Von Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Nähert sich der weltläufige Landedelmann seinen Falken, verwandelt er sich in einen Vogelmenschen. Den Kopf nach vorn gereckt zuckt er rhythmisch mit den Schultern und schnarrt mit hoher Stimme: „Kartasch! Tschaka, tschaka, tschak!“ Die Falken erkennen ihn. Zärtlich lassen sie sich über ihr Gefieder streichen. Ein „goldener Falke“, die weltweit erste Zucht eines reinen Sakerfalken mit einer genetischen Mutation, schnäbelt sogar mit seinem Herrn und Meister. Pölnitz strahlt. Dass es durchaus nicht immer so ist, demonstriert ein tiefschwarzer Artgenosse in seiner Box „Garten 7“. Wütend spreizt er seine Flügel, weit öffnet er den Schnabel, bereit zum verletzenden Biss. „Er ist halt ein bisserl aggressiv“, entschuldigt ihn Pölnitz.

Es ist kurz vor Silvester, die beiden Hilfskräfte haben Urlaub, Baron Pölnitz selbst, seine Frau Sibylle und ihr 25-jähriger Sohn Dominik füttern die Greifvögel viermal täglich mit frischem Fleisch. Wie in einem Pferdestall mit Boxen rechts und links sitzen die zur Paarung bestimmten Falken auf hoch angebrachten Holzplateaus. Nebenan, in einer großen Halle, warten ihre Kollegen auf die große Reise nach Katar. Auf schmalen Mäuerchen, aufgereiht in vielen Reihen dösen Wanderfalken, Ger- und Sakerfalken, vor allem aber die bei den Scheichs begehrte Mischung aus beiden, die hellbraunen bis fast weißen Hybriden. Ein dünnes Lederbändchen am Fuß hindert sie an Fluchtversuchen. An den Wänden türmen sich die Transportkäfige, der nächste Flug ist schon gebucht.

Zuchtfavoriten

Falkenzucht und Flugvorführung

„Mit ,Turmi‘ hat alles angefangen, erzählt Nicolaus Baron v. Pölnitz in der rustikalen Stube im Schloss. Als Schulbub zog er einen aus dem Nest gefallenen Turmfalken auf. Während seine Brüder Alexander und Michael den Segelschein machten, verbrachte Nicolaus v. Pölnitz die Sommerferien im Wildfreigehege Hellenthal in der Eifel unter den Fittichen von Horst Nisters, einem der berühmtesten Falkner und Tierfotografen Deutschlands. Nach seiner Lehre als Biologielaborant machte er sein Hobby zum Beruf und fand beim Prinzen Reuss im Wildpark Kärnten seine erste Festanstellung. Etliche Jahre und mehreren Stationen später, machte sich Baron Pölnitz als Falkner und Veranstalter von Flugshows selbstständig, engagierte Subunternehmer und kehrte mit seiner mittlerweile stattlichen Sammlung an Greifvögeln – vom Steinadler über Uhu bis zum Wanderfalken – zurück nach Aschbach. „Bald“, so scherzt er, „ war jeder Hühnerstall in eine Voliere umgebaut.“

Schloss Aschbach

Der fränkische Baron und der Scheich von Dubai

Ein Kontakt in die Arabischen Emirate erschloss Nicolaus Baron v. Pölnitz eine neue Welt mit ungeahnten Möglichkeiten. 1984 flog er mit sieben Falken im Gepäck nach Dubai, wartete zum ersten Mal in der Majilis, einem prunkvoll ausgestatteten, aber leeren Saal, in dem nur Männer zugelassen sind, auf eine Audienz mit dem Scheich. Die mit ihm ausharrenden Untertanen saßen entlang der Wände, schweigend, geradezu apathisch. Sobald jedoch einer der Mächtigen den Raum betrat, ging ein elektrisierendes Vibrieren durch den Saal, die Untertanen schnellten von ihren Sitzen hoch, zauberten freudige Erwartung in ihre gerade noch ausdruckslosen Gesichter.

Fliegende Statussymbole

Während in Europa die Jagd mit Greifvögeln jahrhundertelang als Amüsement der Aristokratie betrieben wurde, war sie für die in der Wüste lebenden Beduinen die einzige Möglichkeit, ihren eintönigen Speiseplan, bestehend aus Datteln und Kamelmilch, zu ergänzen. Seit Jahrhunderten zogen berittene Beduinen mit ihren abgerichteten Falken in die Wüste, um Trappen oder Hubaras (auf dem Boden lebende, aber flugfähige Vögel) und Wüstenhasen zu erlegen. Erst das Erdöl veränderte ihr Leben. Die Falknerei aber blieb Teil der Kultur der Beduinen, die dank des enormen Reichtums zu Städtern mutierten. Auch heute noch hält sich jeder, der es sich leisten kann, einen oder mehrere Falken. Sie gelten als Statussymbole, werden gehegt, gepflegt und verwöhnt. Die Regierung des Emirats baute am Stadtrand von Dubai sogar die erste, hochspezialisierte Fachklinik für Falken auf. Sie wird übrigens von der deutschen Tiermedizinerin Dr. Margit Müller geleitet. Bis zum Golfkrieg zählte die Falkenjagd zum beliebtesten Hobby der Araber. Öl-Multis beförderten ihre Falken im Privat-Jet in besonders reizvolle Jagdgebiete. Bei Inlandsflügen der Qatar Airlines dürfen Falken sogar wie Passagiere auf den Sitzen reisen – allerdings nur in der Economy Class. Derartiger Luxus freilich ist den Falken aus Franken nicht vergönnt. Sie reisen in Kisten als lebende Fracht, über den Augen eine Lederhaube, die sie in Bewegungslosigkeit erstarren lässt. Schon bald nach seinem Antrittsbesuch im Palast begegnete Pölnitz Scheich Mohammed bin Raschid Al Maktoum, Vizepräsident und Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Bei Falken-Fachgesprächen erwarb sich der fränkische Baron das Vertrauen des mächtigen Mannes. Immer wieder belieferte er ihn mit besonders schönen, besonders gut ausgebildeten Falken, brachte Nürnberger Christstollen als Gastgeschenk mit, gewann an Gunst und Glaubwürdigkeit. „Die gezüchteten Falken sind besser!“, überzeugt er schließlich den Scheich, dessen Falken bisher ausschließlich aus freier Wildbahn kamen.

Falken-Zuchtanlage

Der „goldene“ Falke

Für Pölnitz öff nete sich damit ein vielversprechender Markt. Sein „goldener Falke“, ein selbst gezüchteter Sakerfalke, wurde zum Star der Wüstenregion. Dennoch war und ist das Geschäft mit dem Scheich und seinen unzähligen Verwanden nie einfach. Jeder Krieg, jede Krise trübt die Lust der Araber an der Falkenjagd. Seit der Vernetzung im Internet ist die Zahl der Falkenzüchter aus aller Welt ins Unüberschaubare gewachsen. Heute werden jährlich zwischen 15 000 und 20 000 Falken aus den USA, Kanada, Russland und Rumänien in die Vereinigten Arabischen Emirate eingeführt. Ein gewaltiges Überangebot, das die arabischen Kunden wählerisch werden lässt. „Deine Falken fl iegen nicht hoch genug!“, kritisierte der Scheich. Also baute Pölnitz im heimischen Aschbach eine Art Adler horst und lehrte seine Falken höher fliegen.

Wenig später erfanden die Araber ein neues Spiel: das Falkenrennen. Mit Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 120 km/h fl iegen die Falken von A nach B, die Zeit wird mit Lichtschranken gemessen. Wer hoch statt weit fl iegt, hat verloren. Der Besitzer des schnellsten Falken aber bekommt einen Range Rover, der zweite einen Toyota. Seitdem werden auch die fränkischen Falken auf Schnelligkeit trainiert und fliegen jetzt in Höchstgeschwindigkeit über das Dach von Schloss Aschbach.