habitzheim

Heilen auf dem Hofgut Habitzheim

Mit einem weitläufigen Gesundheitszentrum, Events, Hofcafé, einem Unverpackt-Laden und ökologischer Landwirtschaft haben Johanna und Robert Freiherr Heereman v. Zuydtwyck einen Ort geschaffen, wo sich Körper, Geist und bald auch die Seele erholen können.

Von Stephanie v. Selchow

Herrliches Wetter“, sagt Johanna Freifrau Heereman gut gelaunt, als wir vom Bahnhof zum Hofgut Habitzheim im Landkreis Darmstadt-Dieburg fahren.

Die junge Baronin klingt trotz Corona-Krise optimistisch . Dabei konnte sie 2020 nur drei große Hochzeiten auf ihrem Gut ausrichten – in den Jahren zuvor waren es 40 bis 50 Events.

Existenzbedrohend war der Verlust aber nicht, denn die beiden „Betreiberfamilien“ des Guts – Heereman/Löwenstein und Graf – leben von ihrer biologischer Landwirtschaft. Und zwar überwiegend vom Anbau von Heil-, Tee- und Gewürzpflanzen wie Ringelblume oder Zitronenmelisse auf 30 Hektar Land. Auf den restli-chen 130 Hektar, die zum Gut gehören, werden Getreide (Roggen, Weizen, Dinkel) sowie Kartoffeln, Zuckerrüben und Sojabohnen erzeugt.

Saltø

Die neuere Geschichte des Hofguts

Johannas Vater, Felix Prinz zu Löwenstein-Wert-heim-Rosenberg, zog 1972 mit seinen Eltern von Bayern auf den südhessischen Hof, der zuvor lange verpachtet war. Ab 1986 bewirtschaftete der Landwirt den Betrieb erst mal konventionell. Er fühlte sich aber zunehmend unwohl mit den chemisch-synthetischen Mitteln, mit denen er seine Äcker bespritzte. Eine betriebs-wirtschaftliche Analyse ergab, dass Ökolandbau funktionieren würde, und Löwenstein stellte mutig um.

„Anfangs dachte ich schon manchmal, ich schmeiße hin, es lohnt sich nicht“, sagt der Senior heute. „Aber allmählich wird es ja endlich auch breiteren Kreisen klar, dass wir uns entweder ökologisch ernähren werden oder gar nicht mehr.“ (So lautet übrigens auch der Untertitel seines Buches „Food Crash“).

Prinz Löwenstein ist Vorsitzender des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und fundierter Kritiker der industriellen Landwirtschaft: „Vollmundig von einem Systemwechsel in der europäischen Agrarpolitik zu sprechen, wie Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner es gerade tut, ist Augenwischerei“, erklärt er rundheraus. „Es geht darum, den Zusammenbruch der biologischen Vielfalt zu stoppen und den Beitrag der Landwirte zum Aufhalten des Klimawandels signifikant zu erhöhen. Aber das wird mit den jetzigen Beschlüssen der EU nicht gelingen.“ Prinz Löwenstein sagt deutlich: „Ich finde, dass Familien, die bei Grundbesitz gewohnt sind, in Generationen zu denken, in die vorderste Front derjenigen gehören, die eine wirksame Klima- und Umweltpolitik fordern.“

Lindholm

Hochzeiten feiern und tagen

Zum Besitz gehören auch 100 Hektar Wald im „stufigen Mischbestand“, den die Tochter Johanna in Kürze auch bewirtschaften wird. Den Betrieb hat die gelernte Hotelfachfrau und Eventmanagerin bereits 2014 mit ihrem Mann, Betriebswirt Robert Freiherr Heereman, übernommen. Seitdem betreiben sie den Natur-landzertifizierten landwirtschaftlichen Betrieb gemeinsam mit Jens Graf.

Johanna ist die zweite der sechs Töchter von Felix und Elisabeth Löwenstein. Es war schon früh ihr Traum, auf dem Gut ihrer Eltern zu leben und zu arbeiten. Ihre fünf Schwestern sind andere Wege gegangen. „Blieb mir nur noch, meinen Mann davon zu überzeugen, hier wirklich einzusteigen“, erzählt sie. Robert Heereman grinst, wenn er sagt: „Ich hab mich gezogen wie ein Kaugummi, mich so permanent auf einen Ort festzulegen. Immerhin ist das kein ganz kleines Commitment.“

Heute kann er sich aber nichts Schöneres vorstellen, als auf dem Hof zu leben: „Ich fühle mich diesem Ort und den Menschen, die hier leben, arbeiten und uns besuchen, mittlerweile sehr verpflichtet. Ich habe das Gefühl, dass wir auf einem guten Weg sind, etwas Nachhaltiges zum Wohl der Menschen aufzubauen. Schon längst fühlt es sich sehr richtig an, nicht Banker in Frankfurt geworden zu sein.“

Prinz zu Löwenstein und seine Frau Elisabeth haben schon in den 1990er-Jahren den Rinderstall aus dem 19. Jahrhundert mit 24 Gewölbekappen in eine originelle Location zum Feiern umgebaut und im Erdgeschoss des ältesten Hofgebäudes (um 1500) einen großen Saal renoviert, in dem man standesamtlich heiraten oder auch groß Geburtstag feiern oder Seminare abhalten kann.

Das Eventgeschäft wurde von Elisabeth zu Löwenstein über viele Jahre aufgebaut. „Ich musste eigentlich nur da weitermachen, wo meine Mutter aufgehört hat“, sagt die junge Hausherrin Johanna, selbst Mutter einer Tochter (Emilie). „Meine Eltern haben uns einen rundlaufenden Betrieb übergeben. Wenn man sich anschaut, wie sie vor vielen Jahren begonnen haben und wie der Hof und die Landwirtschaft heute aussehen … da muss man schon wirklich tief den Hut ziehen!“ Zurzeit fungiert der gelbe Saal als Corona-Teststation. „Ein etwas ungewöhnlicher Warteraum, in dem die Ahnen ganz maskenlos auf die schniefenden Wartenden herabblicken“, sagt Johanna.

Gesundheit für Körper und Seele

Im Jahr 2018 wurde ein integratives Gesundheitszentrum auf dem Hof eröffnet. „Wir wollen ein Ort sein, an dem Menschen heil an Körper und Seele werden können“, sagt Johanna. „Dafür braucht es Angebote aus der Schul- und der Komplementärmedizin.“

Die Heeremans haben in den letzten Jahren 23 Mieter dazugewonnen: darunter auch Lucas Freiherr Heereman, ein Vetter von Robert, Arzt für Inneres. Er arbeitet und lebt seit 2019 mit seiner Familie dort. Außerdem gehören zu der Gesundheitsgemeinschaft: eine Zahnärztin, eine Gynäkologin, eine Logopädin, Heilpraktiker, eine Osteopathin, Psychotherapeuten und Coaches, eine Yoga- und eine Chigonglehrerin, Meditations- und Achtsamkeitslehrerinnen sowie eine Friseurin, die mit Naturprodukten arbeitet, und eine Naturkosmetikerin (gesundheitszentrum-hofgut-habitzheim.de).

KaminzimmerMuseum

Die Zukunft ist unverpackt

Das jüngste Hofbaby ist der erste Unverpackt-Laden der Region. In „Emmas Erben“ verkaufen die Unternehmerinnen Christiane Dittel und Julia Wardin Reis, Nudeln oder Müsli, Gewürze und Getreide zum Selbermahlen sowie Seife und Putzmittel – natürlich ohne Verpackung und in Bioqualität. „Unsere Meere führen heute mehr Plastik als Fisch“, kritisiert Johanna, „und trotzdem wird man selbst im Biobereich oft gezwungen, die Verpackungen mit zu kaufen. Selbst ich trage jeden zweiten Tag einen Gelben Sack raus. Ich bin froh, dass damit hier bei uns bald Schluss ist!“

Die Familien Heereman und Graf haben für die Zukunft noch viele Pläne. Nächstes Jahr werden Gemüse, Kartoffeln, Getreide und Tee aus eigenem Anbau direkt auf dem Hof angeboten, ebenso Eier von eigenen Hühnern. „Wunderbar wäre, wenn auf Dauer weitere Bauern der Umgebung auf Bio umstellen würden und wir gemeinsam unsere Produkte vermarkten. Dann könnte sich auch eine Biobäckerei, Käserei oder ein Biometzger auf dem Hof lohnen, und ich muss nie mehr einkaufen fahren“, träumt Johanna.

Davon profitieren würde auch das Hofcafé. Dieses öffnete zum ersten Mal in der Saison 2019, in der sich das Unternehmerpaar auch gastronomisch versuchte. „Es war wirklich eine wunderbare Zeit, als die Hofgäste hier ausgezeichneten Cappuccino und selbst gemachten Eistee bekamen – da atmete der Hof richtige Piazza-Atmosphäre“, schwärmt Robert Heereman. Im Frühjahr 2020 blieb das Café aber geschlossen – wegen der Corona-Pandemie. Jetzt wird ein/-e Vollblut-Biogastronom/-in gesucht, um das Café mit den Heeremans wieder zum Leben zu erwecken – mit frischen Hofprodukten auf der Speisekarte und in den Regalen.

Auch zu den zwei Ferienwohnungen sollen noch weitere hinzukommen. „Ideal für Menschen, die die Natur lieben und eine Auszeit brauchen. Parallel können sie Therapie- und Wellness-Angebote wahrnehmen und den Odenwald erforschen“, so Robert.

Last not least soll auch bald eine geistliche Komponente auf dem Hof sichtbar werden.

„Für Körper und Psyche passiert schon viel im Gesundheitszentrum“, sagt Johanna. „Aber wir sind ja Christen und die Fragen nach unserem Woher und Wohin gehören unbedingt dazu, wenn man die Gesundheit des Menschen vollumfänglich ernst nimmt. Erst mal würden wir gern einfach eine Hofkapelle einrichten: einen Raum zum Beten und Auftanken, der immer offen ist – für jeden, der das braucht. Alles Weitere wird sich fügen, da warten wir ganz entspannt ab.“